DER BRUCH ALS ANALYSATOR DER BINDUNG
R.Roussillon
EPF (TURIN 2014)
Brüche sind ein sehr umfangreiches Thema. Es gibt vielerlei Brüche, sie kommen in allen Bereichen menschlichen Daseins vor. Es gibt Brüche auf sozialer Ebene – Absturz in Obdachlosigkeit, Exil oder Revolutionen sind Beispiele hierfür –, doch gibt es auch unsichtbare Brüche, Brüche im gedanklichen Bereich. Hier lässt sich mit L. Althusser von „epistemologischen Einschnitten“ sprechen, also von erkenntnistheoretischen oder paradigmatischen Brüchen. Und es gibt Brüche in menschlichen Beziehungen, ganz besonders in jenen, die in der einen oder anderen Form auf Liebe beruhen.
Doch wenn sich auch zahlreiche Formen von Brüchen beobachten lassen, so existiert jeder Bruch doch nur „für ein Subjekt“. Nur deshalb ist ein Bruch ein Bruch, weil er – unabhängig von dem Bereich, in dem er sich ereignet, und unabhängig von seinen Ursachen – einzelne Subjekte und die Bindungen zwischen ihnen betrifft. Und je nach der Bedeutung, die ein Subjekt einem bestimmten Zwischenfall oder einem bestimmten Umstand zuschreibt, wird ein Bruch als solcher empfunden oder beschlossen und umgesetzt.
Zumindest möchte ich meine Überlegungen entschieden im Lichte meiner klinischen Erfahrung mit Bindungen und Beziehungen entwickeln. An den Beginn meiner Überlegungen und meiner Argumentation will ich eine Behauptung stellen: der Bruch ist ein Analysator der Bindung, er analysiert ihre Natur und ihre Elemente. Durch den Bruch und im Bruch enthüllen sich die häufig unsichtbaren Aspekte einer Bindung zwischen Subjekten.
Um diese Hypothese zu ergründen, will ich von einer klinischen Situation ausgehen.
Ein klinischer Bericht
Myriam bittet mich um ein dringendes Gespräch, nachdem eine Liebesbeziehung in die Brüche gegangen ist. Sie wird von einer jungen Kollegin, mit der sie befreundet ist, an mich verwiesen.
Ich sitze einer schönen und eleganten Frau um die 50 gegenüber, die sofort in Tränen ausbricht, als sie mir zu erklären versucht, was ihr gerade widerfährt. Seit der Trennung von ihrem Freund hat sie allen Mut verloren, weint ständig. Sogar ihre Arbeit, die sie doch normalerweise mit großer Freude tut, lässt sie derzeit ziemlich kalt. Sie war bereits zweimal verheiratet. Diese beiden ersten Trennungen waren von ihr ausgegangen und für sie sehr gut zu verkraften gewesen. Doch diesmal hat sie geglaubt, dies sei der richtige Mann für sie. Seit zwei Jahren war ihre Beziehung sehr gut gelaufen. Sie lernten sich zu einer Zeit kennen, als Myriam sich aus beruflichen Gründen in einem weit entfernten Land aufhielt, und während des ersten Jahres sahen sie sich wegen dieser räumlichen Entfernung nur selten. Da sich zwischen ihnen alles sehr gut entwickelte, beschloss Myriam vor einem Jahr, sich in Lyon niederzulassen, wo sie geboren wurde und wo auch ihre Familie wohnt, um mit ihrem Freund zusammenzuleben. Myriam und ihr Freund kauften gemeinsam ein Haus und alles lief gut, bis es in den letzten Monaten zwischen ihnen zu heftigen Konflikten kam, besonders wegen Myriams jüngstem Sohn, der bei ihnen wohnte. Myriams Freund reagierte auf Myriams Beziehung zu ihrem Sohn mit steigender Eifersucht und immer mehr Kritik. Der Konflikt wurde immer schlimmer, bis ihr Freund schließlich mitten in der Nacht das gemeinsame Haus verließ. Myriam gelingt es nicht, sich davon zu erholen, obwohl sich die beiden Partner seither mehrfach wiedersahen: „Irgendetwas ist zerbrochen“, sagt sie.
Myriam spricht hier also von einem „inneren“ Bruch, der die Bindung zu ihrem Freund beeinträchtigt.
Die darauf folgende zweijährige Behandlung ermöglicht es, Myriams Empfindungen zum Teil zu erhellen. Sie genügt jedenfalls, um Myriam aus der depressiven Kraftlosigkeit zu führen, in die diese Form des Bruchs sie versetzte.
Die beiden Scheidungen, die es in ihrem Liebesleben zuvor bereits gegeben hat, waren für Myriam unausweichlich geworden, als sie feststellen musste, dass die betroffenen Männer – beide waren durchaus charmant und hatten zweifellos ihre Qualitäten –, in ihrer Vaterrolle versagten.
Ihren ersten Mann lernte Myriam kennen, nachdem sie mit 18 Jahren von zu Hause ausgezogen war. Sie hatte das Zusammenleben mit ihrem Vater nicht mehr ertragen, einem hochintelligenten, hervorragenden Wissenschaftler, der allerdings im familiären Alltag ein unerträglicher Tyrann war. Mit ihrem ersten Mann, den sie während ihres Medizinstudiums kennenlernte, teilte Myriam mehrere Interessen, unter anderem das Bergwandern. Doch sobald sie einen Sohn bekamen, verrrschlechterte sich die Beziehung rasch, da dieser Mann seinen „Vaterberuf“ nur in äußerst geringem Maße erfüllte. Auch als Arzt war er unterdurchschnittlich und besaß keinen besonderen beruflichen Ehrgeiz, während Myriam in internationalen Gesundheitsorganisationen eine steile Karriere machte.
Myriam heiratete ihren zweiten Mann, ohne besonders in ihn verliebt zu sein. Sie tat es vor allem, um ihre Kinder nicht allein aufziehen zu müssen. In der Funktion der Erziehungsbegleitung, die sie von ihm erwartete, enttäuschte er sie ebenso wie der erste Mann, und als sie aus beruflichen Gründen den Wohnort wechseln musste, beschloss sie, ihren zweiten Mann zu verlassen.
Erst später und als sie mehr oder minder auf eine neue Ehe oder eine dauerhafte Beziehung verzichtet hatte, traf sie ihren dritten Lebensgefährten. Sehr schnell verliebte sie sich „Hals über Kopf“ in diesen außergewöhnlichen, ehrgeizigen, witzigen Mann. Er war, wie sie selbst, jüdisch und seine Familie hatte, wie ihre eigene, die Schrecken des Genozids erlebt. Sie, die daran zu zweifeln begonnen hatte, dass ihr die wahre Liebe begegnen könne, erlebte knapp zwei Jahre lang eine ungetrübte Liebesidylle, an der sie nicht zweifelte.
Da in allen drei Fällen der Bindungsabbruch in Zusammenhang mit der Art und Weise stand, wie ihre Männer und Geliebten ihre Vaterrolle ausübten, erscheint es mir wichtig, mit Myriam diese Frage genauer zu untersuchen.
Den ersten Bruch vollzog sie in der Beziehung zu ihrem Vater, als sie mit 18 Jahren von zu Hause auszog. Es handelte sich insofern um einen echten Beziehungsabbruch, als sie viele Jahre lang keinerlei Verbindung zum Vater pflegte und sich damit zufrieden gab, ausschließlich mit ihrer Mutter zu kommunizieren.
Ich vermute eine Verbindung zwischen dem Konflikt mit dem Vater und der Trennung von ihm einerseits und ihren späteren Schwierigkeiten mit Männern andererseits. Myriam akzeptiert diese Verbindung und auf dieser Basis ermöglicht es die analytische Arbeit, in ihrer Geschichte eine gewisse Logik zu erkennen.
Als erwachsene Frau versucht Myriam in ihren Männerbeziehungen auch, die schlechte Beziehung, die sie als Tochter zu ihrem Vater hatte, zu reparieren. Jedes Mal vollzieht sich die Trennung, wenn sie feststellen muss, dass eine „Doppelbelichtung“ der eigentlichen Liebesbeziehung nicht gelingt. So, als entstehe die Liebesbindung an einen Mann gerade dadurch, dass die aktuelle Frau-Mann-Beziehung durch die „Übertragung“ der früheren Beziehung zum Vater – dem Prototyp der primären Beziehung zu einem Mann – auf diese aktuelle Beziehung überblendet wird. Der Bruch mit den Männern, den Myriam vollzieht, wenn „in ihr etwas zerbricht“, wird dadurch ausgelöst, dass sie innerlich mit der Überlagerung dieser beiden Beziehungen bricht und sie dissoziiert.
Ihre Verzweiflung beim letzten Beziehungsabbruch steht in Verbindung mit dem Umstand, dass dieser Mann, der gleicher Nationalität und gleicher Konfession ist wie sie selbst, dessen Familie auf ähnliche Art zerrissen worden ist wie die ihre, und – füge ich jetzt noch hinzu – der auch seinerseits eine komplizierte Beziehung zu seinem Vater hat, so etwas zu sein scheint wie ihr „Doppelgänger“. Ein Doppelgänger, einer, der so ist wie sie. Einer, von dem sie glaubte, dass er ein Verbündeter für ihren Plan sei, dass sie mit ihm eine Art „narzisstischen Wiedergutmachungsvertrag“ abschließen könne. Wahrscheinlich ist sie bei diesem letzten Bruch auch insofern „zerrissener“, als die Frau in ihr in den Mann, der er ist, noch immer leidenschaftlich verliebt ist.
Primärkonstruktion der Liebesbindung
Verschiedene Ebenen der Bindung scheinen mir in dieser klinischen Sequenz, der ich in meinen Überlegungen folgen will, miteinander verwoben zu sein. Sie tragen zur Entstehung der primären Bindung bei, jener Bindung also, die durch die Überlagerung verschiedener Aspekte aufgebaut und stabilisiert wird.
Für die Wahl eines Liebespartners – wenn es denn wirklich eine „Wahl“ ist –, sind verschiedene Ebenen an Besetzungsvorgängen und anderen Elementen relevant.
Natürlich gibt es da die eigentlichen Parameter des Liebesobjekts, seine körperlichen und beziehungsrelevanten Eigenschaften und Besonderheiten, also das, was ihn im eigentlichen Sinne zu einem Anderen macht. Doch diese Parameter werden nur in Abhängigkeit von internen Vorstellungskomplexen besetzt, die zum Teil auf Eindrücken aus Kindheit, Adoleszenz und frühem Erwachsenenalter beruhen.
Dieser Vorstellungskomplex erzeugt eine innere „Objektvorstellung“, die sich mit der tatsächlichen Objektwahrnehmung mischt und diese mehr oder minder überdeckt. Diese Überlagerung löst eine „Illusionswirkung“ im Zentrum des Liebeszustands aus. Mit dem Begriff „Illusion“ ist hier keinerlei abwertende Bedeutung verbunden, es soll auch die „Realität“ der Liebe in keiner Weise geleugnet werden. Der Begriff bezeichnet ausschließlich den Umstand, dass eine besetzte (geliebte) innere Vorstellung mit der Wahrnehmung eines mehr oder minder idealen Objekts überdeckt wird. Es ist diese zugrundeliegende Illusion, die bei einem Bruch zerstört wird.
Ist die Überdeckung sehr gut, so erzeugt sie die Wirkung einer „Liebe auf den ersten Blick“: Es gibt eine „Begegnung“ mit dem erwarteten Objekt, so, als gäbe es zwischen der inneren Vorstellung vom „Ideal“ und dem realen Objekt keinen Unterschied. Je größer die Kluft zwischen der Vorstellung und der Wahrnehmung ist, desto schwächer wird, zumindest zu Beginn der Beziehung, die Verliebtheit sein.
Auf dieser Basis entwickelt sich allmählich die Beziehung, wird komplexer und „erprobt“ auch in gewisser Weise die Tragfähigkeit der Basis. Verschiedene mehr oder minder bewusste, mehr oder minder feste „Verträge“ werden abgeschlossen, um die primäre Bindung zu stabilisieren. Diese „Verträge“ strukturieren die Bindung und werden bei einem Abbruch der Beziehung zerrissen.
Der libidinöse Vertrag
Den ersten dieser Verträge möchte ich „libidinös“ nennen, da er aus der Verquickung sexueller Anziehung mit einer bestimmten Objektbeziehung besteht, die auf einer bestimmten Organisation des Trieblebens und der Libido basiert und die wechselseitigen Haltungen ebenso festlegt wie die Ebenen, auf denen diese Haltungen und Besetzungsarten einander entsprechen. Die libidinöse Beziehung zum Objekt wird durch unbewusste Phantasiekonstruktionen organisiert, die ihrerseits den Anstieg der libidinösen Spannung und den von den Partnern gewünschten Typus der „sexuellen Sprache“ regelt. Was auf diese Weise zwischen den Liebenden ausgehandelt wird, ist durchaus eine Form von Vertrag, ein großteils unbewusster Vertrag, auch wenn bestimmte Aspekte offen zutage liegen können, ein Vertrag, der aus Erwartungen, Verboten, mehr oder minder verpflichtenden „Übergängen“ besteht, aus einem Dialog und einem sexuellen „Verkehr“. Ein aus libidinösen Händeln bestehender Vertrag, der zur Aufrechterhaltung der Anziehung eingehalten werden muss oder in dem auch die Vertragsverletzungen teilweise geregelt sind.
Ich habe nur wenige Informationen über die Art des „libidinösen Vertrags“ zwischen Myriam und ihrem letzten Freund. Sie sprach mir gegenüber niemals von ihrer Sexualität, außer um mir zu sagen, dass es zwischen ihnen „sehr gut gelaufen“ sei und dass der Sex mit ihrem Freund, im Gegensatz zu dem, wie es sich mit ihren beiden Ehemännern entwickelt hatte, befriedigend war. Es scheint nicht so, dass der Bruch auf dieser Ebene vorangetrieben wurde.
Doch in manchen Behandlungen stellt man fest, dass der „libidinöse Vertrag“ ausgehöhlt wird, da sich die libidinöse Ökonomie einer der beiden Partner verändert, und das Sexualleben des Paares so unbefriedigend wird, dass es zu einem Bindungsabbruch kommt. Glücklicherweise ist auch das Gegenteil nicht selten, und wenn gewisse Verdrängungen aufgehoben, gewisse sexuelle Freiheiten zurückerobert sind, wird das Sexualleben des Paares und ihr „libidinöser Vertrag“ wieder reicher und mannigfaltiger.
Der narzisstische Basisvertrag
Dieser erste Vertrag steht in Verbindung mit einem zweiten Vertrag, für den ich den von Piera Aulagnier entwickelten Terminus des „narzisstischen Vertrags“ verwenden werde, allerdings in einer anderen Bedeutung als der von ihr intendierten. Dieser Vertrag steht insofern in Verbindung mit dem libidinösen Vertrag, als das Sexualleben, im breiten Sinne eines triebhaften Involviertseins in die Beziehung, zur narzisstischen Ökonomie des Subjekts beiträgt, doch überdeckt er den „libidinösen Vertrag“ insofern nicht vollständig, als die Regulierung der narzisstischen Ökonomie eines Individuums, beispielsweise das Ausmaß seines Selbstwertgefühls und seiner Selbstachtung, nicht ausschließlich von der Art und Weise abhängt, in der das Individuum seine Sexualität lebt, auch wenn man „Sexualität“ hier im weitesten Sinne versteht.
Der narzisstische Vertrag betrifft auch das Selbstbild, das der Partner durch sein eigenes Sein widerspiegelt, so, als wäre der Andere auf einer bestimmten Beziehungsebene auch ein Spiegel des Selbst. Ästhetische Kriterien spielen natürlich eine Rolle im narzisstischen Vertrag, doch auch verschiedene andere Elemente sind hier relevant, von der sozialen Stellung des Partners bis hin zu seiner Beziehung zur Wahrheit, daneben auch seine Sicherheit oder Gelassenheit im gesellschaftlichen Umgang sowie viele weitere Elemente, die die narzisstische Ökonomie eines Individuums beeinflussen.
Die Alchimie der narzisstischen Ökonomie einer Beziehung ist sehr komplex und hängt zum Teil auch von der besonderen Problematik des Subjekts ab. Der Partner verwirklicht dann unter bestimmten Bedingungen „für das Subjekt » das, was das Subjekt nicht oder nur schwer selbst tun kann.
Doch für den bestimmenden Faktor im „narzisstischen Vertrag“ halte ich das, was der Partner zurückspiegelt, weniger durch eigenes Sein, als durch absichtsvolle Botschaften, die er an das Subjekt richtet. Natürlich steht dieser Aspekt ebenfalls in Verbindung mit dem libidinösen Vertrag. Die ganze Beziehung ist betroffen von der Art der triebhaften Involvierung und der Art der Objektbeziehung, die dieser Vertrag anordnet. Tatsächlich kann man sich beispielsweise kaum vorstellen, dass eine auf sadistischer Analität beruhende Sexualität keinerlei Spuren in anderen Bereichen des Beziehungslebens hinterlässt, und ein gewisser „Sadismus“, sogar eine gewisse Tendenz zur Entwertung sind bei dem zu einem gegebenen Zeitpunkt dominierenden Partner vorauszusehen. Dies schließt natürlich nicht aus, dass sich eine Form von Gegenseitigkeit oder Rache einstellt, die im alltäglichen Rahmen der nicht direkt sexuellen Interaktionen die sexuellen Haltungen umkehrt. Alles hängt also von den Vertragstypen und von der Art und Weise ab, in der Gegenseitigkeit innerhalb des Paars geregelt ist.
Triebbesetzte menschliche Beziehungen, doch wahrscheinlich auch alle anderen zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen es eine empathische Basis gibt, enthalten immer eine Ebene, auf der der Andere auch „ein Selber“ ist, ein anderes Selbst. Auf dieser Grundlage beruhen soziale Beziehungen, auf dieser Grundlage kann sich eine Gesellschaft entwickeln, dies ist die Basis einer grundlegenden Sozialpsychologie.
Es kann geschehen, dass der narzisstische Vertrag auf der Grundlage einer Empfindung „gemeinsamer Haut“ geschlossen wird, wenn die beiden Partner „ganz ineinander aufgehen“, so dass ein Teil der Beziehung den Versuchen vorbehalten ist, einen – oft nicht zugänglichen – Raum der Unterscheidung zu finden. Hier erkennt man eine mögliche Sackgasse von Paarbeziehungen, die Familientherapeuten häufig thematisieren und mit einer paradoxen Alternative veranschaulichen: „die Trennung bringt uns um, das Zusammenleben ist tödlich“. Die Trennung, der Bindungsabbruch wird in diesen Fällen, wie D. Anzieu treffend beschrieb, so erlebt, als werde einem die Haut heruntergerissen, einer geht mit der gemeinsamen Haut weg, der andere bleibt hautlos zurück. Was Anzieu in Bezug auf eine „gemeinsame“ Haut beschrieb, lässt sich auch in Hinblick auf jeden anderen Teil des Körpers oder des Ichs sagen, wie verschiedene Autoren betonten.
Ich erinnere mich an eine meiner Patientinnen, die keine sexuellen Beziehungen haben konnte und bei der die Analyse ergab, dass sie seit frühester Kindheit phantasmatisch „Bauch und Geschlecht“ mit ihrer Mutter „teilte“. Die Analyse ermöglichte es, eine Verbindung herzustellen zwischen diesem „ausführenden“ Phantasma, das sich wie eine innere Realität verhielt, und dem traumatischen Erleben der wiederholten Schwangerschaften ihrer Mutter und der Art und Weise, wie die Mutter dem jeweils vorangegangenen Kind die Besetzung entzogen hatte. Das Phantasma eines „gemeinsamen Bauchs und gemeinsamen Geschlechts“ erscheint als ein Versuch, angesichts des drohenden Besetzungsentzugs die Bindung zur Mutter zu „bewahren“ und so einen seelischen Zusammenbruch zu vermeiden. Die Bearbeitung dieses traumatischen Zusammentreffens verschiedener Umstände in der frühen Kindheit „trennte“ Bauch und Geschlecht der beiden Frauen und ermöglichte es meiner Patientin, einen „libidinösen Vertrag“ mit einem Mann zu schließen – der allerdings äußerlich und „geographisch“ „Spuren“ ihres Vaters behielt.
Im Austausch zwischen Myriam und ihrem Lebensgefährten entwickelt sich diese Problematik auf zwei Ebenen.
Die eine betrifft die Frage, wer sich trennt, wer den Anderen verlässt. Der, der weggeht, nimmt die „Schutzhaut“ mit, die ab da nur den Sieger einhüllt. Doch der andere, der nun hautlos ist, vervielfacht seine Verführungsversuche, um die Bindung wiederherzustellen und dann seinerseits als erster gehen und den anderen in Verzweiflung zurücklassen zu können. Man kann sich vorstellen, wie stürmisch die Beziehung nun wird, welch wilder Tanz „liebestollen“ Zauderns nun getanzt wird.
Die andere Ebene, die etwas weniger stürmisch ist und das Einschreiten eines juristischen Vermittlers erlaubt, betrifft das „gemeinsame Gut“: das Haus. Jeder fordert das Recht, es zu behalten, keiner kann sich vorstellen, es dem anderen zu überlassen. Die Frage, wer dem anderen seinen Anteil verkaufen könne oder würde, steht also im Vordergrund. Auch dies ist eine wütende Schlacht, doch auf gesetzlicher Basis ist es möglich, in einem anders unlösbaren Konflikt zu vermitteln.
Es ist nicht selten, dass beim Abbruch einer Liebesbeziehung ein Gegenstand speziell den zentralen Gegenstand des Affektkonflikts verkörpert, die symbolische Entsprechung der gemeinsamen Haut, des gemeinsamen narzisstischen Objekts.
Ein narzisstischer Vertrag enthält immer die Konstruktion eines gemeinsamen Objekts, einer gemeinsamen Zone, einer „gemeinsamen Sprache“, die als das „Haut-Objekt“ der gemeinsamen Haut dient. Bei einem Bruch ist es schwierig, um diesen gemeinsamen Teil zu trauern, sich von ihm zu lösen, und genau deshalb ist das Entreißen eine zentrale Figur eines Beziehungsabbruchs.
Wenn es sich um Paare handelt, so denkt man an die Kinder, die durchaus jenes „gemeinsame Objekt“ verkörpern, das den narzisstischen Vertrag des Liebespaars besiegelt. Kinder stehen ja oft im Zentrum affektbeladener Trennungskonflikte.
Im Regelwerk des „narzisstischen Vertrags“ gibt es noch einen weiteren Aspekt, der meiner Erfahrung nach oft bestimmend ist. Er betrifft die Qualität des Austausches und der Kommunikation. Im narzisstischen Vertrag gibt es eine „Klausel“, wonach ein Partner den anderen unterstützen muss, wenn dieser auf eine Schwierigkeit stößt. Die Qualität des Zuhörens, die Offenheit für schwierige Zustände des Anderen, die narzisstische Solidarität mit ihm sind ebenfalls wichtige Elemente dieser Verpflichtung zur narzisstischen Unterstützung des Anderen sowie die Gegenseitigkeit dieser Pflicht.
Doch es kommt vor, dass dieser Vertrag aus der Balance gerät, die ihm innewohnende Gegenseitigkeit verliert und zur „Einbahnstraße“ wird. Wenn einer der Partner dazu bestimmt ist, den anderen zu unterstützen, nicht aber umgekehrt, so kann der Eine umso besser instrumentalisiert werden, um zur unerlässlichen narzisstischen Ergänzung des Anderen zu werden. Hier erkennt man Beziehungen, die tendenziell die primären Formen „narzisstischer Verträge“ reproduzieren, jener Verträge, die zwischen Eltern und Kind bestehen.
Jeder Bruch einer solchen Bindungsart ist katastrophal für denjenigen, der im Anderen eine unerlässliche Ergänzung sieht. In dieser „Ergänzung“ ist ein Teil seiner selbst deponiert, den der Andere stellvertretend ausleben soll, und genau mit diesem Teil droht sich der Andere nun davonzumachen.
In solchen Fällen wird Trennung immer als drohender Identitätsbruch erlebt und löst jene heftige Affektreaktion aus, die erkennen lässt, dass es hier nicht nur um den Aspekt der eigentlichen Liebesbeziehung geht, sondern darüber hinaus um die „narzisstische Thematik“ innerhalb der Bindung.
Der symbolische Vertrag
Das dritte Bindungsmittel, das die Empfindung des Bruchs auslösen kann, konzentriert sich rund um das, was ich den „symbolischen“ Vertrag nennen möchte. Er ist es, der in gewisser Weise der Bindung einen „Rahmen“ und eine Bedeutung gibt.
Eine Beziehung entsteht innerhalb eines sozialen „Rahmens“, der die Erwartungen, Rechte und Pflichten der Partner festlegt. Dieser soziale Rahmen erzeugt eine Art Vertrag, der nirgendwo sonst geschrieben ist als im Alltag der Beziehung. Zum Beispiel setzt der „symbolische Vertrag“ zwischen Kindern und Eltern eine bestimmte Art elterlichen Verhaltens voraus, das den Archetypus dessen definiert, was in der Erziehungsbeziehung eine „Mutter“ oder ein „Vater“ ist. Selbst wenn es schwierig ist, alle Aspekte dieses Archetyps zu präzisieren, weiß jeder mehr oder minder intuitiv, wenn ein Vater oder eine Mutter sich nicht als solche verhalten und gegen den Vertrag der Elternschaft verstoßen. Hier handelt es sich also nicht um den „individuellen Elternstil“, sondern um das, was die Position des Vaters oder der Mutter begründet. Zum Beispiel stellt natürlich alles, was in Zusammenhang mit Inzest steht, einen Bruch des „symbolischen Vertrags“ der Elternschaft dar. Doch abgesehen vom eigentlichen Inzest bricht oder verletzt auch jede triebhafte oder narzisstische „Ausschweifung“ seitens der Eltern den Vertrag. Der „symbolische Vertrag“ beinhaltet zudem auch weniger offensichtliche und dramatische Aspekte. Er wirkt unauffällig, leise und ist nur an seinen Auswirkungen erkennbar. Ein Beispiel soll diesen Typus eines gewissermaßen stillen Bruchs verdeutlichen. Ich entnehme es der berühmten Geschichte Peter Pan von J. M. Barrie.
Das latent prä-adoleszente Kind Peter Pan lebt im „Nimmerland“, dem Land der von der Welt enttäuschten Kinder, dem Land der Kinder, deren „symbolischer Vertrag“ mit ihren Eltern gebrochen wurde. In dieser Welt gibt es einen einzigen Erwachsenen. Er verkörpert und „repräsentiert“ jenen Erwachsenen, der den symbolischen Vertrag der Elternschaft nicht respektiert. Ganz offensichtlich selbst vom Leben verletzt – dies zeigt seine Enterhaken-Hand –, ist er egoistisch, böse, möglicherweise sogar zu einem Mord fähig. Für ihn zählt nur er selbst. Er verkörpert also einen „narzisstischen“ Elternteil.
Ab und zu besucht Peter Pan nachts die Welt, von der er sich abgewandt hat, und beobachtet andere Kinder, die noch mit Vater und Mutter ein ruhiges, sicheres Familienleben führen. Auf diese Weise lernt er Wendy kennen, ein liebes, kleines Mädchen, „ganz wie es sich gehört“, artig und vernünftig, auch hilfsbereit. Sie repariert den Schatten, Peter Pans narzisstischen Doppelgänger, der gleich erkennen lässt, dass die Kinder im „Nimmerland“ eine Verletzung in dem ihnen widergespiegelten Selbstbild erlitten haben, und der erwacht, wenn sie aus ihrer Haltung einer Totalverweigerung heraustreten. Peter Pan lädt Wendy und ihren Bruder Joey ins Land der „verlorenen Kinder » ein. Wendy, die noch artig ist und voll Vertrauen in die Welt der Erwachsenen, weil sie mit ihnen noch durch einen tragfähigen „symbolischen Vertrag“ verbunden ist, lehnt sein Angebot ab. Ein wenig wiederhergestellt durch diese Begegnung, kehrt Peter Pan ins „Nimmerland“ zurück, nimmt sich aber vor, wiederzukommen. Ende der ersten Szene.
In der zweiten Szene sind Wendys und Joeys Eltern nach Hause gekommen und es ist Zeit, die Kinder ins Bett zu bringen. Joey muss vor dem Schlafengehen seine Arznei – eine Art Lebertran – einnehmen. Damit wird eines der großen Erziehungsparadoxe thematisiert: der Verstoß gegen das primäre Empfindungsvermögen im Namen eines höheren Guts. Die Arznei „ist gut für die Gesundheit“, aber schlecht im Geschmack. Joey zögert, es fällt ihm schwer zu begreifen, dass etwas schlecht, aber paradoxerweise auch „gut“ ist, er bockt und will sich nichts sagen lassen.
Damit sich der Konflikt nicht festfährt, schlägt Wendy ihrem Vater vor, „ein Beispiel zu geben“. Hier lässt sich demonstrieren, zu welch unlösbaren Situationen der Anspruch „Tu, was ich dir sage, und tu nicht, was ich tue“ führt. Auch der Vater muss aus Gesundheitsgründen regelmäßig eine offensichtlich unangenehm schmeckende Arznei einnehmen. Er versucht sich herauszureden, erklärt, er wolle das schon tun, aber leider sei seine Arzneiflasche unauffindbar. Wendy macht sich hilfsbereit auf die Suche und bringt ihm die Flasche, die sie hinter dem Badezimmerschrank gefunden hat, was nun doch einige Verlegenheit schafft: wie konnte sie nur an diesen erstaunlichen Ort gelangen? In die Enge getrieben und mit einer gewissen Theatralik, einer gewissen Feierlichkeit – die angebracht sein mag, wenn ein Vater die symbolische Funktion des „Vaters“ ausübt – füllt Wendys Vater Arznei in den Löffel und schickt sich an, diesen zum Mund zu führen. Und plötzlich kippt die Szene, er lockt den Hund an, der gerade vorbeitrottet, und steckt ihm lachend den Löffel ins Maul. Wendy ist sprachlos. Sie bringt nur „O Vater! » hervor.
Die Szene ist scheinbar ganz harmlos, kein Inzest, keine offene Gewalt, kein spektakuläres Trauma, das die Menschen erschüttern würde, wenn sie es in der Zeitung lesen, im Gegenteil, die Szene ist beinah banal. Doch als Peter Pan wieder zu Besuch kommt und seine Einladung an Wendy und Joey wiederholt, mit ihm ins „Nimmerland“ zu kommen, folgen ihm die beiden Kinder.
Natürlich handelt es sich hier um einen Roman, das Leben ist gewiss komplexer. Doch erscheint mir die Geschichte exemplarisch zu sein für einen stillen Bruch des „symbolischen Vertrags“ in einer Beziehung. Im Übrigen kann man sich gut vorstellen, dass dieser Zwischenfall nicht der erste derartige in Wendys Beziehung zu ihrem Vater ist, sondern dass es einfach „das eine Mal zu viel“ ist. Es ist jener Zwischenfall, der der Bindung einen schweren Schlag versetzt und eine Form von Enttäuschung auslöst, die an der Bindung verzweifeln lässt. Die Rolle des „Verführers“ Peter Pan ist wohl auch nicht zu vernachlässigen. Er stellt eine mögliche Reaktion auf die Enttäuschung dar, eine extreme und radikale Reaktion, eine Alternative zur Unterwerfung. Er verkörpert eine Revolte im Zeichen des symbolischen Vertrags selbst, eine Revolte in ihrer unbeugsamsten und infantilsten Form. Doch Kinder sind oft so, sie sind „infantil“ und nehmen die Wirkung von Verstößen gegen die Vertragsbestimmungen „kompromisslos“ wahr.
Unser Beispiel betrifft die Eltern-Kind-Beziehung, also jene Beziehung, bei der Verstöße gegen den symbolischen Vertrag am leichtesten gezeigt und am besten von Verstößen gegen den narzisstischen Vertrag unterschieden werden können.
In Beziehungen unter Erwachsenen, in Liebesbeziehungen mischen sich diese Formen häufig, und narzisstischer und symbolischer Vertrag scheinen unlösbar miteinander verflochten.
Myriam, bei der die narzisstischen Absichten des Bindungsabbruchs für den inneren Bindungsabbruch wohl bestimmend sind, empfindet immer dann, wenn sie bei ihren Männern eine nicht-väterliche Haltung feststellt, auch einen Verstoß auf symbolischer Ebene. Die narzisstische Zielsetzung ist hier eng mit der symbolischen verwoben. Ihrer Erzählung nach wurden unmittelbar vor dem Bruch zahlreiche Konflikte durch das Verhalten ihres letzten Freundes gegenüber ihrem Sohn ausgelöst. Der Lebensgefährte schien unfähig zu sein, sich dem Sohn gegenüber „erwachsen“ und väterlich zu verhalten. Er war eifersüchtig, rivalisierte ständig mit dem Jugendlichen, erniedrigte ihn, kritisierte ihn, usw. Dabei begab er sich in einer ausschließlich „narzisstischen“ Reaktion „auf dieselbe Ebene“ wie der Jugendliche. Diese Haltung wiederholt die Haltung ihres Vaters, als Myriam so alt war wie ihr Sohn jetzt. Dieses Verhalten „repariert“ also nicht Myriams Adoleszenz, sondern stellt einen Angriff auf den symbolischen Vertrag dar, den ein Vaterersatz einem Jugendlichen gegenüber einhalten sollte.
Auf diese Weise wird ein Aspekt des zwischen ihnen geschlossenen symbolischen Vertrags bedroht, doch in der letzten Zeit vor dem inneren Bindungsabbruch kam noch eine weitere Bedrohung hinzu. Ich sagte es bereits: Myriam ist eine schöne Frau, sie wird häufig von Männern umworben und ihre Qualitäten liegen so offen zutage, dass sie rasch für sich einnimmt. Doch sie weist Avancen immer zurück und bleibt ohne besondere Anstrengung ganz der Beziehung zu ihrem Lebensgefährten zugewandt. In der letzten Zeit vor dem Bruch begann ihr Freund dagegen, recht viel Zeit mit einer Arbeitskollegin zu verbringen. Für Myriams Geschmack ein bisschen zu viel Zeit. Sie begann, an seiner Treue zu zweifeln. Mehrfach sagte er, wenn sie sich zum Mittagessen treffen wollten, das Treffen im letzten Augenblick ab, um mit seiner Mitarbeiterin weiterzuarbeiten – und zu Mittag zu essen. Bestimmte berufliche Fragen, die Myriam und ihr Freund normalerweise miteinander besprachen, wurden nun auch in die Beziehung zur Kollegin „übertragen“. Ohne übertrieben eifersüchtig zu sein, ist Myriam die Präsenz dieser anderen Frau im beruflichen Umfeld ihres Freundes sehr unangenehm. Die Frage seiner „Treue“ stellt sich und mit ihr wird ein weiterer Aspekt des symbolischen Vertrags thematisiert.
Der symbolische Vertrag definiert eine Form der Bindung, die als „symbolische Zugehörigkeit“ bezeichnet werden kann und die über den gesetzlich geregelten „sozialen Vertrag » hinausgeht. Dieser Vertrag definiert und wird definiert durch ein Zugehörigkeitsgefühl, das offensichtlich wird, wenn man „meine Frau“ oder „mein Mann“ sagt, „mein Kind“, auch „mein Land“ oder „meine Firma“. Man darf Zugehörigkeit und das Gefühl von Eigentum, wie es in hierarchisch geprägten Beziehungen existiert, nicht verwechseln. Zugehörigkeit definiert sich durch einen „symbolischen Vertrag“, der auf der Beachtung einiger charakteristischer Punkte beruht.
Die Gruppen oder Einheiten, denen wir „gehören“, gehören auch uns. Die Zugehörigkeitsbeziehung ist wechselseitig. Die Zugehörigkeit definiert Rechte in Bezug auf die Einheit, der wir uns zugehörig fühlen. Sie definiert eine Art „Mitspracherecht“ in ihren Angelegenheiten. Sie definiert auch das, wozu uns unsere Zugehörigkeit verpflichtet.
Zugehörigkeit beruht auf einer wechselseitigen Anerkennung: „meine Frau“ ist nur dann „meine Frau“, wenn ich „ihr Mann“ bin, und ich bin nur dann „ihr Mann“, wenn ich mich in der Paarbeziehung an bestimmte Regeln halte. Ein Kind kann von seinem Vater symbolisch „enterbt“ werden: „Du bist nicht mehr mein Sohn“ bedeutet: „Ich erkenne dich nicht mehr als solchen an“, und dies auch dann, wenn faktisch die gesetzlich geregelte tatsächliche Erbschaft von dieser Form symbolischer Verbannung unberührt bleibt. In manchen Kulturen kann eine Frau als solche „verstoßen“ werden, nicht nur in juristischer Hinsicht, sondern auch in der inneren symbolischen Zuschreibung selbst.
Diese Regeln können für jedes Paar, für jede Familie, für jede soziale Gemeinschaft unterschiedlich sein, doch immer gibt es Regeln, die die Zugehörigkeit definieren. Wird eine dieser Regeln, die das Band der Zugehörigkeit begründen, verletzt, wird der symbolische Vertrag gebrochen. Beispielsweise ist bei manchen Paaren Treue ein fester Vertragsbestandteil und Untreue ist ein Casus Belli, der zum Bruch führt. Bei anderen, anders organisierten Paaren stellt Untreue an sich keinen endgültigen Verstoß dar, wohl aber der Umstand, dass sie deutlich sichtbar und offen begangen wird. Entscheidend ist, was sich für ein bestimmtes Subjekt aus dem Gefühl der Zugehörigkeit ergibt und was sein besonderes Zugehörigkeitsgefühl verletzt.
Schlussfolgerung
Im Rahmen dieser Überlegungen kann ich kaum mehr sagen. Meine vorangehenden Ausführungen genügen aber, wie ich hoffe, um die Komplexität dessen, was bei einem Beziehungsabbruch geschieht, aufzuzeigen, bei „äußerlichen Brüchen“ wie auch beim Gefühl eines „inneren Bruchs“.
Ich versuchte, drei Arten von „Bindungsverträgen“ zu unterscheiden und dadurch jene Zielsetzungen zu klären, die in der Realität der Bindung ständig miteinander verflochten und verwoben sind. So lassen sich verschiedene Aspekte von Situationen erkennen, in denen ein Bindungsabbruch stattfindet. Die drei Vertragstypen scheinen Bestandteile jeder Bindung zu sein, sie sind immer vorhanden, aber natürlich in unterschiedlichem Ausmaß je nach Subjekt, Bindungsart und Charakteristik des „Rahmens“, der ihre Bedeutung enthält und ihnen ihre Bedeutung verleiht.
Die Art und Weise, in der der Bruch erlebt wird, und seine Auswirkungen hängen vom Vertragstypus ab – libidinös, narzisstisch oder symbolisch –, gegen den durch die Situation, die den Bindungsabbruch hervorrief, verstoßen wurde. Wichtig ist aber auch, in welcher Art die drei Verträge untereinander verwoben und in besonderer Weise miteinander kombiniert waren. So kann es Abbruchssituationen ohne tatsächlichen Bruch geben. Nichts passiert in der äußeren Realität, doch im subjektiven Gefühl der Bindung an den Anderen verändert sich etwas. Etwas „zerbricht“ ohne sichtbare, „offizielle“ Auswirkungen.